In einer fortlaufenden Serie geht Stefanie Kim in Partnerschaft mit MusikWoche der Frage nach, wie divers sich die Musikindustrie hierzulande gestaltet. Dafür sprach Kim nun mit Diana Muñoz, Senior Vice President Finance & Administration Universal Music Publishing.
Stefanie Kim: Als SVP im Finance & Admin-Bereich sind Sie auch Expertin für die dort eingesetzten IT-Systeme und Prozesse - ein Bereich, wo Frauen noch unterrepräsentiert sind - was reizte Sie an diesem Thema?
Diana Muñoz: Mich begeistern komplexe Probleme und Aufgabenstellungen oder umfangreiche Prozesse und die Frage, wie man diese lösen oder besser machen kann. Ehrlich gesagt, bin ich weniger eine IT-Expertin, sondern eher jemand mit einer unendlichen Vorstellungskraft davon, was in einem IT-basierten Arbeitsumfeld möglich ist. Mir gehen die Ideen niemals aus, welche Bereiche man in den administrativen Abteilungen der Musikverlage und in der Zusammenarbeit mit der GEMA optimieren oder automatisieren und welche transparenter und zielgerichteter gestalten kann.
Manchmal vergleiche ich meinen Job mit einem riesigen Sudoku-Spiel oder Puzzle: Es gibt viele Kästchen und Einzelteile, die man sortieren und in Reihe bringen muss, und am Ende des Tages hat jede Zahl oder jedes Teil seinen Platz. Man braucht nur ausreichend Geduld und Durchhaltevermögen. IT-Bereiche sind männerdominiert, aber immer mehr Frauen steigen in diesem und vielen anderen Bereichen in wichtige Positionen auf. Unabhängig vom Geschlecht handelt es sich dabei um Fachleute, die wissen, wovon sie sprechen, die Expert:innen auf ihrem Gebiet sind, und die es verdienen, als solche anerkannt und bestärkt zu werden.
Wichtig für jeden, der in einem so anspruchsvollen IT-Umfeld tätig ist, ist jedoch, dass ich - so gut ich auch sein mag - diese Herausforderungen nicht alleine lösen kann, sondern immer auf die Zusammenarbeit und Expertise verschiedener Beteiligten angewiesen bin. Und das macht den besonderen Reiz für mich aus: die unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnisse zu erkennen, sie zu verstehen und zusammenzusetzen. Hierbei sehe ich auch oft meine Rolle als Übersetzerin zwischen allen Parteien, den kleinen und großen Verlagen, der GEMA und vor allem den Autor:innen.
Stefanie Kim: Nach 20 Jahren scheint die Faszination nicht abgenommen zu haben, so lange sind Sie schon in dem Bereich tätig. Was treibt Sie an?
Diana Muñoz: Die Herausforderungen in der Musikverlagsbranche sind in den letzten 20 Jahren durch die Veränderung des Musikmarktes und der zunehmenden Digitalisierung stetig gewachsen, und ich kann nicht leugnen, dass mich diese Komplexität auch immer wieder neu anspornt. Es gibt unentwegt neue Entscheidungen zu treffen, die auch auf lange Frist die Struktur in dem Markt bestimmen werden. Hier ist es wichtig, genau zu überlegen, wie unsere Zukunft aussehen soll. Mein Ziel ist, ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen. Ein Ergebnis, auf das ich auch stolz sein kann. Als Musikverleger:innen haben wir eine Verantwortung gegenüber unseren Autor:innen, und ich werde erst zufrieden sein, wenn alle Beteiligten gut informiert sind und von den Lizenzen einen fairen Anteil bekommen.
Genau das treibt mich auch an, mich über das Tagesgeschäft hinaus im DMV oder als stellvertretendes Mitglied im GEMA-Aufsichtsrat zu engagieren. Dort bin ich eine der wenigen Frauen, die vertreten sind. Hier müssen wir unbedingt stärker daran arbeiten, Frauen aktiv einzuladen und ein Klima zu schaffen, in welchem sie sich willkommen fühlen. Das fängt schon bei dem einfachen Thema Sprache an. Insbesondere genderneutrale Sprache. Wir erleben in den aktuellen Strukturen immer wieder die ausgeprägte Haltung, dass man noch gar nicht bereit dafür sei, darüber zu diskutieren. Dies erfordert - nach wie vor - eine Bereitschaft zur Veränderung.
Stefanie Kim: Haben Sie manchmal das Gefühl, mehr geben zu müssen als andere - weil Sie eine Frau sind?
Diana Muñoz: Das ist eine gute Frage, die ich mir selbst so nie stellen würde, weil ich sowieso immer 100 Prozent gebe. Ich denke, dass unter Männern vielleicht der informelle Austausch untereinander besser funktioniert, und einige Frauen die Möglichkeiten von Netzwerken noch nicht richtig ausschöpfen. Allerdings arbeite ich bei Universal Music Publishing, in der sehr viele Führungspositionen mit Frauen besetzt sind, und schließlich ist mit Jody Gerson, unserer CEO und Chairman-Vorsitzenden bei UMPG, auch eine Frau an der Weltspitze unseres Unternehmens. Hier nimmt Universal Music Publishing sicher eine Führungs- und Vorbildrolle ein.
Stefanie Kim: Sind Mentoren:innen wichtig? Hatten Sie eine Mentor:in?
Diana Muñoz: Auf jeden Fall sind Mentor:innen wichtig, und ich bemühe mich auch sehr, junge Talente zu fördern und speziell auch mit jungen Frauen zu netzwerken. Ich stelle immer wieder fest, wie schwer uns das noch fällt, und wie selbstverständlich diese Art der Netzwerkarbeit unter Männern funktioniert. Einer meiner Förderer war mit Sicherheit Rolf Budde, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er die Menschen um sich herum auf Grund ihrer Fähigkeiten gefördert hat. Eine Mentorin, wie ich sie mir gewünscht hätte, hatte ich in meiner Karriere nicht.
Stefanie Kim: Wir befinden uns im Generationenaustausch, wo das Wissen nicht mehr in der Einbahnstraße von der älteren Generation zur jüngeren Generation weitergegeben wird, sondern unter anderem auch aufgrund der Digitalisierung von den Jüngeren zu den Älteren. Wie ist da Ihr Blick insbesondere auf die jungen Frauen?
Diana Muñoz: Es gibt sehr viele junge Frauen, die ich sehr bewundere. Unabhängige, selbstbewusste und starke Frauen. Ich selbst war viel leiser und vermutlich auch mehr angepasst an die Rolle, die von mir erwartet wurde. Diese jungen Frauen zu empowern und auf ihrem Weg zu unterstützen, ist mir ein großes Anliegen, und ich freue mich immer sehr, wenn viele junge, kluge und engagierte Frauen zu Workshops, Tutorials oder Meetings kommen. Hier und in Einzelgesprächen mit jungen Frauen lerne ich viel und insbesondere einen neuen und vielleicht auch kompromissloseren und entschlosseneren Blick auf die Themen, die uns beschäftigen.
Stefanie Kim: Was waren für Sie die wertvollsten Erkenntnisse in ihrer Karriere?
Diana Muñoz: Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse war, dass man sich niemals einschüchtern oder verunsichern lassen darf. Es gab verschiedene Momente in meinem Leben, in denen sich die Dinge nicht so entwickelten, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eine Option war in diesen Momenten immer, das Handtuch zu werfen, aber es hat sich ausgezahlt, weiterzumachen und nicht klein beizugeben. Rückschläge sind normal, und man sollte seine Lehren daraus ziehen, um sie als Gewinn verbuchen zu können.
Stefanie Kim: Was sind drei wertvolle Ratschläge für das Berufsleben, die Sie erhalten haben und weitergeben möchten?
Diana Muñoz: Unser Berufsleben ist kein Sprint, es ist ein Marathon. Setz' das, was wir tun, ins richtige Verhältnis: Wir machen Musik - und das ist eine wundervolle Sache für die Welt. Aber die Welt geht nicht unter, wenn wir einen Fehler machen. Dieser Gedanke kann befreiend sein.
Und drittens: wenn dich jemand verletzen will und dich mit Worten angreift, dann denk' daran: Es sind nur Worte. Es sind nur Schallwellen. Nichts weiter. Alles was du daraus machst, passiert in dir. Du kannst ihnen ausweichen. Du kannst sie ins Leere laufen lassen oder du kannst sie dir zu Herzen nehmen. Trotz allem sind es nur Worte. Mehr nicht.
Photo credit: Andrzej Koston
Quelle Interview: Musikwoche & Stefanie Kim